Rede von Frau Ute Plank, Malerin und Künstlermitglied im Vorstand des Fördervereins, an der Ausstellungseröffnung zur Einführung in die Ausstellung:
Meine Mutter hat mir die Einladung der Stadt Hersbruck zum heutigen Abend gezeigt, in der steht, ich würde heute Abend eine philosophische Rede halten. Das war mir ganz neu. Falls es heißt, ich würde heute Abend eine Rede halten, die mehr Fragen stellt als Antworten enthält, bin ich einverstanden. Und um eine Frage zu einer philosophischen werden zu lassen, muss das Frageobjekt über Alltägliches hinausgehen, allgemeingültige Relevanz für den Menschen als Menschen besitzen, also nach Sinn, Gründen oder Zielen fragen. Das tun für mich viele der ausgestellten Arbeiten, deswegen fühle ich mich auf der sicheren Seite.
Aber von Anfang an: als im Team des Kunstmuseums Hersbruck die Suche nach einem Thema für die Mitgliederausstellung begann, das gleichzeitig offen und aktuell sein sollte, hat sich das Schlagwort WICHTIG herausgeschält und als es um bildnerische Gestaltung ging, fielen unserem Museumsleiter Uli Olpp die Spielzeugbuchstaben zum Drucken ein, die bei ihm zu Hause noch herumlagen. Mit denen hat er Plakat und Einladung wie ein Dokument oder eine dringende Briefsendung gestempelt.
Auf solchen Dokumenten sollte vielleicht öfter DRINGEND stehen als WICHTIG. Die Unterscheidung ist in unseren hektischen Zeiten von großer Bedeutung. Wir leben aber nicht nur in hektischen Zeiten, sondern auch in Zeiten einer großen Brisanz und Bedrohlichkeit.
Als Künstlerinnen und Künstler stellen wir uns die Frage: was ist wichtig und die etwas bangere Frage: sind wir als Kunstschaffende noch wichtig? In einem nahenden Winter, wo es um warme Wohnungen und die Erschwinglichkeit des täglichen Lebens geht, wer hat da noch Zeit und Geld für und Interesse an Bildern und Skulpturen und, um den Kreis der Künste zu erweitern, Musik, Theater und Poesie?
Wenn ich heute Abend in die Runde schaue, möchte ich mich wirklich von Herzen bedanken, dass Sie zu dem Kreis gehören, dem diese Dinge noch WICHTIG sind und die ihren Abend opfern, um hierher zu kommen. Ohne Sie wären wir Künstler Darsteller ohne Publikum, würden unsere Anstrengungen ins Leere gehen. Ein Grund, warum Sie hier sind, (da wir, ohne meinen hoch geschätzten Kolleginnen und Kollegen auf die Füße treten zu wollen, das Interesse an einer lukrativen Geldanlage weitgehend ausschließen können) ist vielleicht, weil die Kunst die oben genannte Frage stellt: WAS IST WICHTIG?
An ein paar wenigen Werken will ich das darstellen, verzeihen Sie mir, wenn ich nicht auf jedes eingehe.
Als besonders gradlinig ist mir Anke Hahns schlichte Bleistiftzeichnung ins Auge gestochen. Unter dem Titel „Was mir wichtig ist“ hat sie ihre Katze gezeichnet, etwas zu essen und zu trinken und eine Gasleitung. Die Grundbedürfnisse und die Sehnsucht nach Gemeinschaft, die zuerst gestillt werden müssen.
Reiner Zitta beantwortet in gewohnt unerwarteter Weise die Frage, wem wir wichtig sind mit dem Satz „Vier meine Omas bin ich wichtig/ und die Waschmaschine, sagens“. Museumsleiterin Ingrid Pflaum hat mir erzählt, dass Reiner Zitta immer wieder Anderen die Frage stellt: „ Auf welches Haushaltsgerät würdest du am wenigsten verzichten wollen?“ – und mit großer Einhelligkeit die Antwort erhält: auf die Waschmaschine! Zur Handwäsche der Jahrtausende vor uns will offenbar niemand zurück. Vielleicht wäre es ehrlicher, zuzugeben, dass der Verzicht auf elektronische Endgeräte für viele von uns noch schmerzlicher wäre. Da fällt mir nun aber irgendwie Walter Bauers aus Worten gebautes Werk aus dem Treppenhaus ein WICHTIG WIEDER NICHTS WICHTIG liest man da.
Martin Scheder erinnert dran, dass bei allem Eingebunden sein in die Probleme des Hier und Jetzt der Blick zurück nicht fehlen darf, um Perspektive zu gewinnen. „Geschichte ist wichtig“, betont er und er tut das mit seinen unvergleichlichen künstlerischen Mitteln und baut geschichtliche Ereignisse aus gesammelten Tier Knochen nach. Beim Rundgang haben wir uns gefragt, wie ausgerechnet Werke von solchem Ernst und solcher Morbidität einem ein Lächeln entlocken können, vielleicht kann mir das im Anschluss jemand erklären, probieren Sie es selbst.
Sigrun Albert möchte mit intuitiven roten Tempera- und Pigmentspuren auf Papier, die auf seltsame Weise menschlichen Silhouetten gleichen, innere Zustände in diesen aufwühlenden Zeiten sichtbar machen.
Christoph Gerling hat drei auf den ersten Blick identische, intensiv bekritzelte Türen fotografiert. Der Scharfblick meiner Tochter hat offengelegt, dass die Türen eben doch nicht identisch sind. Es vergeht Zeit zwischen den Fotografien und es kommen weitere Kritzeleien dazu. Auch wenn solche Spuren im städtischen Raum manchmal ein Ärgernis sind, möchte ich unterstellen, dass das, was da steht, den Verursachern wichtig war. Und eben auch von Christoph Gerling wurde etwas hinzugefügt, nein nicht auf den Türen, auf dem Fotopapier oder?
Agathe Meier legt den Finger in eine weitere offene Wunde unserer Zeit und nennt ihr Bild „Lebensräume erhalten“. Der brennende Baum als Symbol für dieses brennende Anliegen ist so schön gemalt, dass man glatt in Erwägung ziehen könnte, sich diese umweltpolitische Aussage übers Sofa zu hängen.
In der Vitrine im gleichen Raum hat meine Schwester der Naturschönheit, die es zu erhalten gilt, kleine Altärchen aus empfindlichem Papier gebaut, eine Verneigung vor der Schönheit, ohne die wir auch nicht sein können.
Ich könnte so weitermachen, jedes Bild trifft eine Aussage, etwas, das zu meinen Studienzeiten absolut verpönt war und was zu meiner Erleichterung wieder in die Kunst zurückkehrt. Die Menschen um uns herum werden als wichtig genannt und ihre Zerbrechlichkeit thematisiert, der Frieden als Wunschziel kommt vor, die Wichtigkeit von Werten und positiven Glaubenssätzen, vom guten Leben miteinander, vom Achthaben aufeinander. Die einen Werke sind leichter zu lesen, für die anderen muss man etwas länger überlegen und ich wünsche Ihnen viel Freude dabei.
Uli Olpp hat mich auf folgende Passage in den Nürnberger Nachrichten vor einigen Tagen aufmerksam gemacht: der 80-jährige Regisseur Werner Herzog hat in einem Interview, befragt, ob er nie Angst um das Gelingen und den Erfolg seiner Werke gehabt habe, geantwortet:
“Da hat es immer etwas gegeben, was man im Katholizismus kenne: Heilsgewissheit. Und deswegen können Sie auch in die Gladiatorenarena einziehen, singend. Und die Löwen sind da. Und ihre Heilsgewissheit lässt Sie aufrecht stehen und da durchgehen!“ Das ist Werner Herzog für Sie.
Ich würde behaupten, dass wir Künstlerinnen und Künstler, die in dieser Ausstellung vertreten sind, oft mit weniger Selbstbewusstsein und Pathos ausgestattet sind als Werner Herzog und dafür mehr mit Zweifeln ob der Relevanz ihres Tuns zu kämpfen haben, auch wenn die Löwen in unserer regionalen Arena sicher deutlich zahnloser sind als auf dem internationalem Parkett. Aber ich möchte den anwesenden Kunstschaffenden schon zusprechen, dass ihr und unser Tun nicht bedeutungslos ist. Ich möchte sogar soweit gehen, dass es WICHTIG ist.
Impressionen der Ausstellung:
- Gerling Christoph Türe zu Foto I.M.Pflaum
- Oechsler Luise Hoffnung I II Foto I. M. Pflaum
- Hahn Anne Was mir wichtig ist Foto I.M.Pflaum
- Schilling Ina Roter Rock…. Foto I.M.Pflaum
- Albert Sigrun Intuitiv I-III Foto I.M.Pflaum
- Pflaum Ingrid M., Olpp Uli und Oberlander Christian wichtig 2022 Foto I.M.Pflaum
- Plank-Hauter Karin Kleine Gebete Foto I.M.Pflaum
- Hauter Andreas Figurengruppe am Pegnitzufer 2022 Foto I. M. Pflaum
- Bürgermeister Robert Ilg und Ute Plank Wichtig 2022 Foto I.M.Pflaum
- Serfas Dieter Geben und Nehmen 2022 Foto I. M.Pflaum
- Zitta Reiner Wichtig 2022 Foto I. M. Pflaum
- Furhmann Woldemar Apokalyptische Figuren I-III Foto I.M.Pflaum
- Henning Barbara Träume Foto I.M.Pflaum
- Hehlinger Melanie Uterus Riot Foto I.M.Pflaum
- Scheder Martin 1-4 Foto I. M.Pflaum